FILMREIF: Aus Olgas Tagebuch. Wüsten als Zufluchtsort

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Umringt von Sand, alleine und in vollkommener Stille. Hier ist unser Zufluchtsort—vom Lärm der Straße, von pulsierenden Märkten und von chaotischen Autowerkstätten. Unsere Leidenschaft für die Natur zieht uns immer wieder in die Stille und Schönheit unberührter Landschaften, sei es in den Schweizer Bergen oder an einsamen Stränden. Doch nichts hat uns so sehr gefesselt wie unsere erste Begegnung mit der Wüste.

Wir sind Toby und Martina, zwei Schweizer Abenteurer, die sich auf eine große Overland-Reise begeben. Über mehrere Jahre haben wir an diesem Traum gearbeitet: Wir haben gespart, uns einen Land Rover Defender gekauft und Olga getauft, und diesen liebevoll und selbständig umgebaut—von Rostbehandlung über den Innenausbau bis zum Elektrokonzept. Wir haben unsere sicheren Jobs und unsere Wohnung gekündigt, unser Auto gepackt, die verbleibenden 20 Schachteln in den Keller meiner Mutter gestellt, und dann sind wir los. Ohne fixen Plan und zeitlicher Limitation fuhren wir los Richtung Osten.

Als wir das erste Mal, bei Sonnenuntergang, die Dünen einer Wüste im Iran erklommen, konnten wir unseren Augen kaum trauen. Die Aussicht über die endlosen Sandberge war atemberaubend. Diese Dünenlandschaft, kombiniert mit den Farben des Sonnenuntergangs, hat uns tief berührt und sofort in ihren Bann gezogen. Davon wollen wir mehr!

Kaum zurück in der Zivilisation, zog es uns wieder hinaus in die Weite der Natur. Nach dem Auffüllen unserer Vorräte entschieden wir uns, die beeindruckende Wüste Lut im Iran zu erkunden. Diese Wüste—Dascht-e Lut [dt. “nacktes Plateau, leere Wüste”]—ist bekannt für ihre besonderen Felsformationen und hohen Sanddünen, aber auch für ihre Unberechenbarkeit, ihre Hitze und unsicheren Lage bezüglich Landminen.

Mit gutem Proviant, genügend Diesel, getesteter Satellitenkommunikation und informierten Freunden und Locals machten wir uns auf den Weg. Wir wussten nicht genau, wie lange wir unterwegs sein würden, und so führte uns unser Abenteuer auf eine achttägige Reise in völliger Abgeschiedenheit. Mit dem Land Rover Defender, unserem zuverlässigen Begleiter und Zuhause auf Rädern, hatten wir die Möglichkeit, tief in die Natur hinauszufahren und unwegsames Gelände und entlegene Pfade zu meistern.

ABENTEUER IN DASCHT-E LUT: ACHT TAGE IN DER EINSAMKEIT

Die Wüste Lut begrüßte uns mit faszinierenden Felsformationen, die sich allmählich in imposante Sanddünen verwandelten. Schließlich verbrachten wir acht Tage in der Wüste und fuhren 600 km durch die sich stetig wandelnde Landschaft. Wir cruisten durch das Gelände, erklommen Sanddünen und Felsen, genossen die Sonne, verbrachten viel Zeit mit Fotografieren, mussten aber auch unser Auto mehrmals ausbuddeln, da wir uns festgefahren hatten, und legten etliche Stopps ein, um immer wieder den Druck in den Autoreifen anzupassen.

Der Boden wechselte stetig von tiefem Sand über Kieselsteine hin zu hartem Sand. Diese acht Tage in der Wüste waren eine unvergleichliche Erfahrung—keine Menschenseele und kein Tier weit und breit, nur wir und die unendliche Weite der Sandlandschaft. Die Stille, die Einsamkeit und die Schönheit der Natur boten uns eine tiefe innere Ruhe

Nur an einem Tag wurde es laut um uns: Ein Sandsturm kam auf und hüllte uns für 24 Stunden in eine rötliche Wolke aus Sand und Staub. Ausharrend im Auto beobachteten wir das Naturphänomen. Da wir nicht wussten, wie lange der Sturm andauern würde, haben wir unseren Proviant und Wasser rationiert. Glücklicherweise war nach einem kompletten Tag in Dunkelheit, alles wieder hell und klar. Beeindruckt von der Kraft der Natur befreiten wir unser Auto von all dem Sand—innen und außen—und brachen auf zurück in die Zivilisation.

Gegen Ende unserer Expedition wurde es erneut spannend: Unser Dieselvorrat neigte sich dem Ende zu, und wir beschlossen, eine Abkürzung zu nehmen. Auf der Karte sah der Weg vielversprechend aus, doch in der Realität erwies sich die Route als äußerst mühsam. Der unwegsame Pfad quer zu einem breiten, ausgetrockneten Bachbett zwang uns zu ständigem Stop-and-Go. Wir waren leider in nicht-fahrbarem Gelände unterwegs; in einer Gegend mit etlichen ausgewaschenen, trockenen Wasserrinnen, die große Absätze bildeten. Diese zu überwinden, war extrem kräftezehrend. Trotz dieser Herausforderung gelang es uns, die Wüste sicher zu durchqueren und zurückzukehren.

Unsere Reise durch den Iran war aber nicht nur von beeindruckenden Landschaften und der Vielfältigkeit verschiedener Wüsten geprägt. Auch die Gastfreundschaft der Menschen im Iran hat uns tief berührt. Wir erlebten eine Herzlichkeit und Offenheit, die in starkem Kontrast zu den oft negativen Darstellungen in den Medien stehen. Diese Begegnungen haben Vorurteile abgebaut und neue Freundschaften entstehen lassen.

Als unsere zweieinhalb Monate im Iran zu Ende gingen, standen wir vor der Frage: Wohin als nächstes?

Aufgrund der Corona-Pandemie hatten viele Grenzen geschlossen, und unser Traum, die Seidenstraße zu bereisen, war vorerst nicht möglich. So entschieden wir uns, auf die arabische Halbinsel weiterzureisen. Dies bedeutete für uns, weitere Wüstenabenteuer erleben zu dürfen. Hier erwarteten uns neue Herausforderungen und Erlebnisse.

DAS NÄCHSTE ABENTEUER BEGINNT: 1000 KILOMETER OFFROAD IN DER RUB‘ AL-KHALI

Eines der prägendsten Abenteuer war unsere Durchquerung der Rub’ al-Khali, der größten Sandwüste der Welt, auch bekannt als Empty Quarter [dt. “Leeres Viertel”]. Diese Wüste, die ihrem Namen alle Ehre macht, ist eine der unwirklichsten Regionen der Erde. Unser Ziel war es, sie von Ost nach West zu durchqueren.

Wir begannen mit intensiven Recherchen, um mögliche Routen und Versorgungsstellen zu identifizieren. Dabei stießen wir auf eine vielversprechende Entdeckung: eine Straße, die sich entlang der Grenze zwischen Saudi-Arabien, Oman und Jemen erstreckt und genau in die Richtung führt, die wir einschlagen wollten. Neugierig und voller Hoffnung, die perfekte Route gefunden zu haben, brachen wir auf, um diese Straße zu finden.

Nach einer kurzen Fahrt über die Dünen erreichten wir tatsächlich eine asphaltierte Straße, die nagelneu und perfekt erschien. Unsere Freude war groß, denn wir wussten, dass wir nun schneller vorankommen würden.

Doch unsere Euphorie wurde jäh unterbrochen, als uns das Militär nach wenigen Kilometern anhielt. Wir wurden zu einer Militärstation eskortiert und dort erst einmal festgehalten. Die Militärangehörigen behandelten uns freundlich und versorgten uns großzügig. Wir durften unseren Dieselvorrat auffüllen und erhielten Tee, frische Orangen, tiefgefrorene Hühner, Cracker und genügend Wasser. Es fehlte uns an nichts, außer an der Freiheit, unsere Reise fortzusetzen.

Auch nach langem Diskutieren blieb es dabei: Wir durften, nicht weiter. Unser Vorhaben, die Rub’ al-Khali zu queren, wurde zwar akzeptiert, aber uns wurde befohlen, immer einen Abstand von mindestens 50 km zu der besagten Straße zu haben. Mit diesem Entscheid wurden wir an unseren Ausgangspunkt zurück eskortiert.

Unbeirrt von diesem Rückschlag, organisierten wir unsere Expedition neu und entschieden uns, einige Kilometer weiter nördlich erneut in die Wüste aufzubrechen.

EIN AUTOPROBLEM UND DER WILLE ZUR LÖSUNG

Das Abenteuer konnte erneut beginnen. Vor uns lagen nun rund 1.000 Kilometer Offroad—keine Pisten, keine Straßen, keine Tankstellen. Einfach nur die weite Leere der Rub’ al-Khali.

Dieses Gefühl von Freiheit liebten wir, doch gleichzeitig spürten wir auch die Anspannung. Es erfordert Mut, sich ins Unbekannte zu wagen. Was, wenn wir ein Problem haben? Was, wenn unsere Gesundheit plötzlich nicht mitspielt? Was, wenn unser Auto einen Schaden hat? Diese und viele andere Gedanken geisterten uns im Kopf herum. Doch trotz aller Bedenken fuhren wir frohen Mutes los, bereit für das nächste große Abenteuer.

Die unendlichen Sanddünen und die weite Leere beeindruckten uns immer wieder aufs Neue. Es war sehr warm und trocken. Das Thermometer stieg täglich auf 50 Grad Celsius. Um der größten Hitze zu entgehen, starteten wir unsere Fahrten früh am Morgen, machten in der Mittagshitze Pause und setzten unsere Reise am späten Nachmittag fort.

Eines Tages, als wir über die endlosen Sanddünen fuhren, veränderte sich das Gelände plötzlich. Die zuvor gleichmäßigen und langen Dünen hatten plötzlich einen unerwarteten Abfall. Unser Auto sprang kurz in die Luft und landete mit einem harten Aufprall. Bei diesem Aufprall entleerte sich unser zusätzlicher Wasserkanister. Das gesamte extra Wasser, das wir dringend für diese Expedition benötigten, verteilte sich im Innenausbau unseres Autos.

Mitten in der Wüste standen wir nun vor der Aufgabe, unser Auto zu reinigen und den Verlust des Wassers zu bewältigen. Es war ein kritischer Moment, der unsere Nerven arg strapazierte. Aber auch durch diesen Rückschlag ließen wir uns nicht entmutigen. Die beeindruckende Schönheit der Wüste, motivierte uns weiterzumachen—aber wir hatten ja sowieso keine andere Wahl.

ertrauensvoll setzten wir unsere Fahrt fort. Unser Ziel war es, noch tiefer in die Wüste vorzudringen und die hohen Dünen zu erreichen. Das Fahren über die Sanddünen gab uns ein unvergleichliches Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Die Abende in der Wüste waren besonders zauberhaft. Wir genossen die Einsamkeit, kochten zusammen—auch mal das Schweizer Gericht “Rösti”—und bestaunten den klaren Sternenhimmel.

Am nächsten Tag fuhren wir wieder früh los und kamen zunächst gut voran. Doch plötzlich hörten wir ein lautes, beunruhigendes Geräusch. Sofort hielten wir an und schauten unter unser Auto. Zu unserem Schrecken stellte sich heraus, dass sich die Kardanwelle vom Vorderdifferential gelöst hatte und frei am Auto herunter hing. Die Schraube, die den Flansch des Vorderdifferentials befestigt, war gebrochen. Dadurch wurde das Vorderdifferential zerstört. Dies war ein ernsthaftes Problem, das uns in der Mitte der Wüste ziemlich Angst machte.

Unsere erste Reaktion war jedoch nicht die Angst, sondern der Organisationsmodus. Ein wichtiges Learning unserer bisherigen Reisen war, Probleme sofort zu akzeptieren und sich auf die Lösung zu konzentrieren. Diesmal war es nicht anders. Wir akzeptierten die Situation und begannen, nach einer Lösung zu suchen.

Toby machte sich sofort an die Arbeit und zeigte wieder einmal, wie begabt und kreativ er ist. Er schlug die abgebrochene Schraube mit einem Meißel heraus, und glücklicherweise hatten wir eine passende Ersatzschraube dabei, um die Verbindung wiederherzustellen. Doch diese Schraube war zu kurz, sodass die Lösung nur vorübergehend sein konnte. Trotzdem gelang es uns, aus den hohen Dünen herauszukommen, indem wir mehrfach anhielten, um die Schraube nachzuziehen.

Sobald wir die schwierigsten Dünen hinter uns gelassen hatten, entschieden wir uns, die Kardanwelle komplett auszubauen und nur noch mit Zweiradantrieb weiterzufahren. So setzten wir dann unsere Reise fort und bewältigten die verbleibenden 400 Kilometer Offroad, bis wir schließlich eine befestigte Straße erreichten.

Während dieser herausfordernden Fahrt mussten wir mit sehr niedrigem Reifendruck unterwegs sein, um im weichen Sand voranzukommen, was unser Tempo erheblich verlangsamte. Trotzdem mussten wir oft graben und Sandbleche einsetzen, um unser Fahrzeug zu befreien. Diese Bergungsaktionen waren anstrengend, aber sie gehörten zu den Herausforderungen, die wir als Teil des Abenteuers akzeptierten. Unsere Entschlossenheit und Improvisationsfähigkeit führten uns zurück auf befestigte Straßen.

RÜCKKEHR IN DIE ZIVILISATION: HILFE UND GASTFREUNDSCHAFT

Nachdem wir die Herausforderungen der Rub’ al-Khali gemeistert und zurück in die Zivilisation gefunden hatten, standen wir vor neuen Fragen: Welchen Defekt hat unser Auto? Wie werden wir das Problem lösen? Uns war klar, dass wir Unterstützung brauchten. Also aktivierten wir die Defender Community und suchten nach jemandem, der uns helfen konnte.

Schnell wurden wir an einen Land Rover-Spezialisten vermittelt, der 700 km entfernt wohnte. Es handelte sich um einen Engländer, der in Saudi-Arabien lebt. Ohne zu zögern, machten wir uns auf den Weg zu ihm.

Seine Hilfsbereitschaft war überwältigend. Über fünf Tage hinweg unterstützte er uns bei der Reparatur unseres Autos, half uns, Ersatzteile zu finden, und führte uns tiefer in die Kultur Saudi-Arabiens ein. Als wir trotz großen Aufwands kein passendes Ersatzteil fanden, entschied er sich, das Differential aus seinem eigenen Land Rover auszubauen und bei uns einzubauen.

Diese unfassbare Geste der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit berührte uns zu tiefst. Die Erfahrungen und die Unterstützung, die wir in dieser Zeit erhielten, sind unbeschreiblich und haben uns gezeigt, wie wertvoll menschliche Verbindungen und Gastfreundschaft sind.

Unsere Zeit in der Wüste und die Begegnungen auf dem Weg haben uns vieles gelehrt. Wir haben die Einsamkeit und die Ruhe der Natur kennengelernt und gleichzeitig realisiert, wie uns die Erfahrungen unserer bisherigen Reise gelehrt haben, positiv mit Herausforderungen umgehen zu können und fokussiert auf unser Ziel zu bleiben. Denn bereits bis zu diesem Punkt unserer Overland-Reise waren wir mit diversen Herausforderungen konfrontiert, beispielsweise einem Überrollunfall und diversen anderen Autopannen, Visa-Problemen und Bergungsaktionen.

Die Erfahrungen unserer Durchhaltekraft und Reaktionsfähigkeit auf wandelnde Umstände durften wir auch später im Verlauf der Reise immer wieder erleben. Nach der arabischen Halbinsel fuhren wir weiter nach Afrika, wo sich die Wüste langsam zu Busch wandelt und die arabische Kultur allmählich in afrikanische überging. Ein Wandel, welchen wir mit Freude beobachteten.

Auf diesem Kontinent, der uns durch seine Tierwelt, die neue Kultur und das gute Essen immer wieder aus Neue faszinierte, wurden wir von Herausforderungen nicht verschont. Schwierige Grenzübertritte, das Bereisen von Kriegsgebieten, anhaltende Autoprobleme, aber auch der Aufenthalt in einem afrikanischen Gefängnis forderten uns stark und hielten uns auf Trab.

Aufgrund von Martinas Schwangerschaft trennten sich unsere Wege für zehn Wochen: Toby fuhr Olga selbständig entlang der Westküste Afrikas nach Hause, und Martina bereitete zuhause alles für das neue Familienmitglied vor. Drei Wochen vor der Geburt trafen wir uns in Marokko wieder, um den letzten Abschnitt der Reise zusammen zu bewältigen.

DER FILM

Jetzt, zurück zu Hause, möchten wir unsere Erlebnisse in einem Reisefilm festhalten. Um dieses Projekt zu realisieren, starten wir ein Crowdfunding.

Mit diesem Beitrag laden wir euch ein, Teil unseres Abenteuers zu werden und uns bei der Verwirklichung dieses Films zu unterstützen. Gemeinsam können wir die Geschichten und Bilder unserer Reise teilen und die Faszination über diese bunte Welt erlebbar machen.

Wir danken für jede Unterstützung: wemakeit.com/projects/travelmovie-keep-going

Mehr über die Reiseabenteuer von Olga on Tour erfahrt ihr auf ihrer Webseite und auf Instagram

Picture of Mike Brailey

Mike Brailey

Born in the UK, Mike went to school in England and France before hiking across most of Europe in his early twenties. With a background as a photographer and engineer in the automotive industry, he has worked in Europe, the Middle East, South Africa, Southeast Asia and the Americas. His heart beats for classic cars and motorcycles, favouring an expedition equipped 1963 Land Rover Series IIA for overlanding. He is an outdoor enthusiast and, in 2016, followed his vocation to become an adventure journalist.

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