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Die letzten Jäger – Der Kua Stamm kämpft im Herzen Afrikas um die Wahrung seiner Identität

Ein muslimischer Kriegsfotograf, ein dokumentarfilmender Mönch, ein filmschaffender Hippie, ein Menschenrechtler aus Botswana, ein Navajo-Läufer und ein Kua-Jäger kommen in eine Bar am Rande der Kalahari. Keiner bestellt etwas zu trinken und der Barkeeper weigert sich, das WLAN-Passwort preiszugeben. Nein, das ist kein Witz, sondern genauso geschehen um 4 Uhr nachmittags an einem trägen Montag im Ghanzi Roadhouse. Nach der tagelangen Hetze, um die bürokratische Hürden zu nehmen, ist dies heute unsere letzte Chance auf Eiswürfel, Klimaanlage und Kommunikation mit dem Rest der Welt.

Die Witzeleien unseres Guides über Löwen in der Nähe des Camp machten einer dunklen Vorahnung Platz, als er darauf beharrte, das Feuer die ganze Nacht brennen zu lassen
Jede Nacht erforderte das Aufschlagen des Camps eine sorgfältige Überprüfung der Umgebung

So seltsam unsere zusammengewürfelte Truppe auch anmutete, und so begrenzt unsere Fähigkeit miteinander zu kommunizieren war, verband uns doch vor allem ein Interesse— das Überleben einer der ältesten Sammler- und Jäger-Stämme der Welt: der Kua, Mitglieder der San-Buschmänner. In den kommenden zwei Wochen sollte die Straße noch viel holpriger werden, sowohl wörtlich als auch metaphorisch, auf unserer Reise tief ins Herz der Kalahari in einem Toyota Raider, der seine besten Jahre längst hinter sich hatte.

Mit einem strahlenden Lächeln und schmutzig braunen Füßen folgte der kleine Dorfjunge seinen kichernden Cousins in den Busch.
Wir fuhren vom Camp aus Richtung Süden über die Salzpfanne, als eine trächtige Löwin mit peitschendem Schwanz und kraftvollen Bewegungen gemächlich an unseren Wagen vorbeischlich

Zuvor in Maun hatten wir mit Jetlag und sperrigem Reisegepäck gekämpft, Kameraausrüstung und Vorräte für einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer im Central Kalahari Wildreservat (CKGR) geplant. Aus einem Tag Vorbereitung wurden zwei: Feilschen um die Fahrzeuge und ein Überfall auf den örtlichen Supermarkt; wir rissen Witze darüber, dass unsere acht prall gefüllten Einkaufswagen für ein hungriges Dorf ausreichen sollten. Da ahnten wir noch nicht, wie falsch wir damit lagen. Denn unsere künftigen Freunde aus dem Kua-Dorf hatten die gleiche Vorliebe für Chips wie Omar, unser Kriegsfotograf. Endlich kehrten wir der Stadt den Rücken und fuhren hinaus in die Kalahari, unsere Fahrzeuge randvoll mit Filmausrüstung, Campingequipment, Wasser für zwei Wochen, Ersatzteilen und -reifen sowie wechselndem Optimismus, Naivität und Aufregung.

Bei unserer Ankunft im Dorf wurden wir von einer Flut großer Kinderaugen mit wilden Haaren begrüßt. Zaghaftes Gelächter und der Klang von Musik lockte mich zu einer kleinen Ansammlung tanzender Kinder im Sonnenuntergang

Als wir das Reservat erreichten, mischten wir uns unter die anderen Touristen in ihren Safari-Jeeps. Gar nicht so schwer—kaum war der erste Löwe gesichtet, suchten wir hektisch nach unseren Kameras, genau wie jeder andere Safari-Neuling. Aber wir sind nicht wegen der Löwen hier, sondern um die Geschichte des Kua-Stamms zu erzählen.

Nachdem sie in den 90er Jahren aus dem Land ihrer Ahnen vertrieben worden waren, haben die Buschmänner geklagt und zehn Jahre später ihr Recht durchgesetzt; jetzt siedeln sie wieder in ihrer angestammten Heimat, den wildreichen Ebenen des CKGR. Aber der Gerichtsbeschluss war an eine drastische Einschränkung geknüpft: Den Stämmen wurde das Jagen untersagt.

Das erste Licht des Tages rollt rot und schwer über die Ebene, durchbricht die Laubdächer der wenigen schattenspendenden Bäume und fällt schließlich auf die Kochfeuer im Dorf

Wir verbrachten zehn Tage bei den Buschmännern und begleiteten sie auf ihrem inzwischen gewohnten, aber langen Marsch zu einem entfernten Jagdrevier außerhalb des Reservats. Ein ungewöhnlicher Treck der krassen Gegensätze—eine 30.000 Jahre alte Gesellschaft und deren Kampf, in der modernen Welt zu bestehen bzw. zu überleben.

Obwohl die Existenzsicherung der Stämme von vielen Faktoren beeinflusst wird, ist die wichtigste Frage, ob sie weiterhin ihren traditionellen Sitten und Gebräuchen der Nahrungsbeschaffung nachkommen können, mit anderen Worten: der Jagd.

Ein junger Hirte lockt auf seinem selbstgebauten Instrument neugieriges Publikum an

Und so folgten wir den Jägern und Guides ins tiefste Afrika. Unsere kleine Gruppe hatte keinerlei Jagderfahrung, aber dafür umso mehr im Geschichtenerzählen und kritischen Denken. Im Laufe der zwei Wochen drehten wir Stunden um Stunden Filmmaterial über das vielleicht letzte Kapitel der komplexen Geschichte der ältesten Jäger der Welt.

Mitte der 90er Jahre siedelte die Regierung Botswanas die Kua und andere Stämme auf eine Art um, die auf dramatische Weise an das Vorgehen der US-Regierung bei der Abschiebung der Indianer 1830 (U.S. Indian Removal Act) erinnert. Man sprach von Naturschutz und täuschte Unkenntnis hinsichtlich des gewaltigen Drucks seitens der Diamantenindustrie und der Safari-Touristik vor. Die staatlichen Bemühungen, die Ureinwohner aus dem Land ihrer Vorfahren zu vertreiben, waren weitgehend erfolgreich—bis 2006. Dann entschied der Gerichtshof, dass dieses Vorgehen verfassungswidrig sei, und ermöglichte den Stämmen die Rückkehr ins Reservat. Als jedoch 2014 die erste Diamantenmine begann, auf ehemaligem Stammesgebiet zu fördern, wurde die Wasserversorgung der Kua gekappt, ihr Viehbestand konfisziert und neue Wasserstellen gab es nur noch für wildlebende Tiere bei Wilderness Safaris, einem Unternehmen aus dem Umfeld von Botswanas Präsident Ian Khama.

Die Jäger nutzen die zusätzliche Perspektive vom Dach unseres Wagens, als wir außerhalb des Reservats nach Wild Ausschau halten. Die Vorfahren der Kua-Buschmänner bejagten jahrtausendelang die Landstriche im und um das Reservat. Heute sind sie gezwungen lange Strecken zurückzulegen, um Wild dort aufzuspüren, wo das Jagen noch erlaubt ist.

Eines Abends, als wir gerade Feuer machen und unsere Zelte aufschlagen wollten, bekamen wir Besuch von ein paar Jungs aus dem Dorf, die uns auch gleich, zunächst noch verhalten, zur Hand gingen. Einer von ihnen, Kebaemetse, konnte sich ein wenig auf Englisch verständigen und so erklärte er mir mit Händen und Füßen, dass die Gegend von einer Herde haushoher— und möglicherweise menschenfressender—Elefanten heimgesucht würde.

“Sie schützen die Wildtiere mit Zäunen, Wasserlöchern und Ferngläsern; aber wer schützt uns? Länger als ihr denken könnt, haben wir mit den Tieren in Harmonie gelebt; nie haben wir mehr genommen, als wir zum Überleben brauchten. Wir sind die eigentlichen Naturschützer.” —Xani, ein Kua-Buschmann, teilt mit uns seine Gedanken über die heutige Politik der Regierung von Botswana
Die Dorfjugend sieht uns beim Zeltbau zu, hilft uns, probiert unsere Vorräte aus der Stadt und berichtet uns mit Händen und Füßen von Elefanten, die Zelte niedertrampeln

Wie sich herausstellte, hatte er recht. Es ist eigentlich undenkbar, dass Elefanten sich so weit südlich aus dem Okavango-Delta herauswagen, aber diese grauen Schönheiten sind einem derzeit wasserführenden Flussbett zufällig bis mitten in unser Camp gefolgt. Selbstverständlich sind sie keine Menschenfresser—da hatte ich etwas missverstanden—, aber aufgrund ihrer beeindruckenden Größe und ihrem regen Interesse an den Bäumen rund um unsere Zelte wirkten sie dennoch recht bedrohlich. Nach kurzer Beratung schlugen die Kua vor, dass wir unser Lager ins Dorf verlegen sollten, wo wir prompt von einer Meute „Wachhunde-cum-vierbeinige Tellerwäscher“ adoptiert wurden.

Hunde werden für die Jagd eingesetzt und begleiteten uns auf der Suche nach Wild. Sowie sie die Fährte der Kudus aufnahmen, wurden auch wir angesteckt: Kal, der Kua-Jäger unserer Gruppe, allen voran, die Jungen blieben ihm auf den Fersen. Obwohl ich mein Bestes gab um die Verfolgung aufzunehmen, war er einfach zu schnell. Leichtfüßig, einem Tänzer gleich, bahnte er sich seinen Weg durch die brusthohen Dornenbüsche.

Speere wie diese gleichen in Form und Funktion dem traditionellen Jagdgerät des Stammes, werden aber heute aus Armierungseisen hergestellt
Eine traditionelle San-Hütte mit einem Gerüst aus Ästen, Dach und Wände grasgedeckt, bietet Wärme, Schutz und einen Versammlungsort in kalten Wüstennächten

Kal und ich sprachen oft miteinander, manchmal politisch, manchmal nur höflich. Dabei versuchten wir Licht in die dunkle Vergangenheit zu bringen. Wir saßen bis spät in die Nacht um das Lagerfeuer und ich fragte, wie es für ihn sei hierher zurückzukehren. Zuerst blieb er still, sein Gesicht wie gemeißelt—in starkem Kontrast zu den Flammen in dieser mondlosen Nacht. Er war 17 Jahre von zuhause weg gewesen. “Ich kann wieder atmen”, sagte er schließlich. Unser Dolmetscher übersetzte seine klangvollen Schnalzlaute, “und es macht mich traurig. Traurig, dass ich überhaupt fortgehen musste.” Für viele Stammesmitglieder wie Kal bedeutet die Rückkehr ins Reservat trotz Jagdverbots und ohne Wasser das schier Unmögliche möglich zu machen.

Wir hatten uns erhofft San-Buschmänner kennenzulernen, die auf traditionelle Weise jagen, indem sie ihre Beute bis zur Erschöpfung hetzen. Stattdessen fanden wir ein Volk am Rande der Verzweiflung, eine Kultur zwischen Althergebrachtem und völliger Ungewissheit—ein letztes Aufbäumen kräftiger, sonnengebräunter Schultern gegen die Unterdrückung durch eine ihnen aufgezwungene, übermächtige Gesellschaft.

Die Kua sind nicht die einzigen Jäger in diesen Gebieten. Tatsächlich stehen sie noch nicht einmal an der Spitze der Nahrungskette, wie die Überreste dieses von Löwen gerissenen Kadavers beweisen

Anders als manche Kua, die in der neuen Siedlung außerhalb des Reservats geblieben sind, haben Buschmänner wie Kal und seine Brüder die Gunst des Gerichtsentscheids von 2006 genutzt. Ohne Wasser oder der Möglichkeit zu Jagen ist ihr Leben ein ständiger Existenzkampf. Das Leben und Überleben ist hier alles andere als einfach, aber alle mit denen wir gesprochen haben ziehen das unabhängige Leben in vertrauter Umgebung dem Leben in fremden Siedlungen hinter Zäunen mit staatliche Zuschüssen vor.

Anmerkung des Autors: Die vollständige Geschichte dieser Reise ist Gegenstand von Sanjay Rawals Dokumentarfilm 3100. Die Namen der San-Buschmänner in diesem Artikel sind zu ihrem Schutz geändert worden.

Letztes Licht über dem Dorf der Kua
Vorbereitungen für die Jagd treffen, das Wild aufspüren, ausnehmen und zubereiten—all das kostet viel mehr Energie als das Öffnen einer Dose Fleisch aus den staatlichen Lebensmittelrationen. Doch im Laufe der Jagd wird deutlich, dass wesentlich mehr auf dem Spiel steht als eine einfache Kalorienrechnung. Zwischen den Männern herrscht eine Intimität, die sich allein auf den ihnen eigenen althergebrachten und meisterlich beherrschten Fertigkeiten gründet. Dies verleiht ihnen Ehrgefühl, Ausdauer und Stärke—ihre Verbundenheit mit den Wurzeln, dem Land ihrer Väter und den Traditionen ihrer Ahnen ist untrennbarer Bestandteil ihrer Existenz.
Die Evolution von langsam kontrahierenden Muskelfasern und 3 Mio Schweißdrüsen ermöglicht es Menschen Entfernungen zurückzulegen, welche die Leistungskapazität der meisten Vierbeiner überschreitet. Die Ausdauer- oder Hetzjagd gilt allgemeinhin als die Jagdtechnik der ersten Hominiden auf vierbeinige Beutetiere.
Menschen wie Hunde laufen gleichermaßen mit einem federndem Schritt und vor Stolz glänzenden Augen. Heute Abend haben ihre Familien genug zu essen.
Nach dem Aufspüren (und Entkommen) eines großen Springbocks, geben sich die Jäger mit dem kleineren Steinbock zufrieden.
Während der älteste Jäger den Steenbok (kleiner Steinbock) hält, tötet einer der Jungs ihn
Rauchen kann nur, wer auch in der Lage ist Feuer zu machen, indem er zwei Stöcke aneinander reibt. Die Fertigkeiten der Kua zu überleben—und zu entspannen—überraschen immer wieder aufs Neue.
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