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denis tanja katzer

Lebende Legenden: Tanja und Denis Katzer

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In den Jahren 1999 bis 2003 rückten Tanja und Denis Katzer ins Rampenlicht der Abenteurer- und Entdeckerszene, mit ihrer Weltrekordwanderung quer durch Australien. Ein 7.000 km langer Treck von Süden nach Norden, von Westen nach Osten.

Für einen TV-Sender filmten sie ihre Kamelkarawane durch die Wüste und schickten das Material nach Perth (drei Episoden der ersten Etappe wurden ausgestrahlt). Wie Denis es ausdrückte: “Das war ziemlich cool.” Noch bevor sie aufbrachen, schmiss die Produzentin eine kleine Party, bei der sie Denis zur Seite nahm und fragte, warum er er tat was er tat. “Weil kaum jemand wagt, diesen riesigen Kontinent zu durchqueren”, entgegnete er.

Ihre Antwort war alles andere als herzerwärmend: “Stimmt, nur wenige Menschen haben es versucht. Aber das ist nicht wichtig für uns. Wir erwarten nicht, dass ihr überlebt. Versteh’ mich nicht falsch, wir wollen nicht, dass ihr sterbt, aber wir sind überzeugt, dass es so kommen und Schlagzeilen machen wird. Und das ist unsere Story.”

“Was? Ich traute meinen Ohren nicht. Sie wollten von unserem Versagen, unserem Tod profitieren. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wählte sie diese Abschiedsparty, um mir diese enttäuschende journalistische Wendung mitzuteilen. In diesem Moment schwor ich mir: Dir werde ich’s zeigen. Ich werde nicht sterben.”

Tanja und Denis erreichten ihr Ziel und schrieben über ihre Erlebnisse in Karawane durchs Outback, einem 140-seitigen Bildband mit herrlichen Anekdoten. Darüber hinaus wurde ihre Geschichte von National Geographic in 60 Sprachen vor 250 Mio. Menschen weltweit ausgestrahlt. Tanja und Denis standen plötzlich im Rampenlicht und ihre Karriere nahm eine beeindruckende Wende. Eine Karriere, die in den 1980er Jahren begann, als Denis noch alleine reiste.

Um über sein Mutter Erde-Projekt (die längste Dokumentation unseres Planeten) zu sprechen, traf ich mich mit Denis in seinem Elternhaus, das heute als Museum und Archiv für die Schätze, Filme und Fotos dient, die von seinen mehr als drei Jahrzehnten unermüdlicher Exploration zeugen.

Als ich Denis’ Popularität in der deutschen Radsportwelt erwähnte, unterbrach er mich: “Ich bin nicht in erster Linie Radfahrer. Ich bin Abenteurer, und mein Hauptziel ist es, den Planeten, auf dem wir leben, zu dokumentieren. Das beinhaltet Radfahren, Reiten, Kamelreiten…den Planeten…Dinge entdecken und mit Menschen teilen, die nicht reisen können…und sie aufzuwecken.”

Und so begann unser zweiteiliges Interview.

denis tanja katzer
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denis tanja katzer

Welches Motto würdest du diesem Interview geben, welche Botschaft möchtest du vermitteln?

Ich möchte Leid verhindern. Ich habe so viel Leid gesehen. Ich will, dass unsere Kinder die Bäume sehen, die Vögel zwitschern hören und sich frei bewegen können, ohne Angst vor Luftverschmutzung. Sie sollen in der Lage sein, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, ohne Big Brother oder als Marionetten einiger weniger größenwahnsinniger Multimillionäre. Das ist meine Motivation: Dafür zu sorgen, dass das Leben lebenswert ist.

Ich sehe den Planeten, auf dem wir leben, Mutter Erde, als einen lebendigen Organismus. Nicht wie der Mars.

Im Kern der Erde befindet sich Magma, das sich ausdehnt und zusammenzieht (über Hunderttausende von Jahren), wie ein Herzschlag. Die Erde lebt und die Menschheit behandelt sie nicht gut. Wenn wir Mutter Erde verletzen, dann schaden letztendlich wir nur uns selbst.

Ich möchte dazu beitragen, die Harmonie zwischen uns und der Plattform, auf der wir leben, wiederherzustellen. Dies war und ist die treibende Kraft hinter allen unseren bisherigen und künftigen Expeditionen.

Kurz: Ich habe alles dokumentiert, was wir gesehen und erlebt haben. Von Stämmen, die ausgerottet oder ihrer Kultur beraubt wurden, bis hin zu den Auswirkungen von Gier und Verantwortungslosigkeit auf die Tierwelt. Ich sehe es als meine Berufung an, zu dokumentieren, woher wir kommen, und sicherzustellen, dass die Verbindung zu unserer Vergangenheit, die unsere Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, begründet hat, nicht abreißt.

Denis Tanja Katzer

Ich versuche, so sachlich wie möglich zu schreiben—ohne Kritik, ohne Wertung. Es ist nicht meine Aufgabe zu entscheiden, was gut oder schlecht ist. Ist es gut oder schlecht, wenn jemand bei einem Vulkanausbruch ums Leben kommt? Diese Dinge passieren einfach. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung.

Ich hatte das Glück, in der Zeit zu reisen. Wirklich. Ich bin durch die Zeit gereist. Wir alle. Es wird nicht möglich sein, jemals wieder zu sehen, was ich gesehen habe, oder zu erleben, was ich erlebt habe. Ich habe Stämme besucht, die noch wie in der Steinzeit lebten; Stämme, die mit Penisköchern herumliefen; habe Menschen gesehen, die sich in Stammesfehden und -ritualen gegenseitig umbrachten…und ich war mittendrin.

Ich habe alles dokumentiert. Jetzt sind diese Stämme ausgelöscht, und die wenigen, die noch übrig sind, werden in 20 bis 30 Jahren verschwunden sein. Sie werden sich kleiden wie wir, an der Universität studieren oder Taxi fahren. Wie die Ureinwohner Nordamerikas: Sie versuchen, ihre Kultur zu bewahren und ihren Vorfahren Tribut zu zollen—aber nach einem zeremoniellen Tanz um das Feuer, springen sie in ihren Jeep und fahren zurück in ihr Haus am Stadtrand. Das ist nicht ihre Kultur. Nicht das Gleiche, wie mit Stammesmitgliedern auf die Jagd zu gehen und Angst zu haben, von dem vergifteten Pfeil eines Rivalen getroffen zu werden.

Denis Tanja Katzer
Denis Tanja Katzer

Ich habe immer das Abenteuer gesucht. Nicht den Nervenkitzel eines Vergnügungsparks, in dem sich die Leute von Plastikkrokodilen und Geisterbahnen Angst einjagen lassen. Ein authentisches Abenteuer ist, dort zu sein, wo ein echtes Krokodil herausspringen und einem den Arm abreißen kann. Die Aussicht, so nah an der Realität zu sein, ist, was mich antreibt. Aber man darf es nicht zu weit treiben, sonst ist der Arm ab.

Denis, erzähl’ mir von dir, bevor du dein Leben komplett dem Reisen gewidmet hast.

In der Schule litt ich unter Prüfungsangst. Das habe ich nie wirklich überwunden. Auf Anraten habe ich dann bei Olympia, einem damals international tätigen Unternehmen mit 30.000 Mitarbeitern, als Servicetechniker angefangen—wegen meiner kommunikativen Ader und sozialen Kompetenz. Wohlgemerkt, wir reden hier über die Reparatur von Schreibmaschinen und so. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich begeistert war.

Dann kam die Zeit für meinen Wehrdienst. Ich meldete mich zu einer Spezialeinheit—immerhin war ich in Sport ziemlich gut…naja, nicht schlecht…auf jeden Fall besser als der Durchschnitt. Ich landete als Fallschirmjäger bei den Special Forces und wurde einer der Besten. Das war unglaublich. Plötzlich war ich in meinem Element, sprang aus tief fliegenden Hubschraubern in die Nacht. Ich war furchtlos. Ich hatte Waffentraining, lernte alles über Navigation und wurde Gruppenführer.

Ich arbeitete mich nach oben und wurde Ausbilder in einem der besten Camps für Elitesoldaten. Die Green Berets, SAS, sie alle kamen zu uns. Ironischerweise konnte ich meinen Eltern nie davon erzählen, denn mein Vater war begeisterter Pazifist—das wäre eine Katastrophe gewesen.

Eines Tages fragte ich meine Truppe: “Wer möchte die Briten im Falklandkrieg unterstützen?” (Ich muss dazu sagen, dass diese Jungs im Allgemeinen einen ziemlich hohen IQ hatten.) Jedenfalls hoben 80% die Hand und sagten, sie wären bereit.

Nun, für diejenigen, die es nicht wissen: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den Schulen in Deutschland gepredigt, dass es nie wieder einen solchen Krieg geben könne. Wir alle hatten ein schlechtes Gewissen, ich trug diese Schuld viele Jahre mit mir herum, auch während meiner ersten Auslandsreisen. Ich hatte nichts damit zu tun, aber ich fühlte mich trotzdem schuldig.

Als alle Soldaten ihre Hände hoben, fragte ich also: “Warum?” Ihre Antwort war einfach: Sie waren darauf trainiert worden, auf Pappfiguren zu schießen und zu töten. Jetzt wollten sie ihr Training in die Praxis umsetzen, ganz real. Ich erklärte ihnen, die Realität, die sie suchten, sei, wenn eine Kugel deinen Kameraden in den Kopf trifft und du das Blut von deiner Uniform kratzt.

Ich hatte diese Männer so gut ausgebildet, dass sie jetzt Killer waren. Ich war schockiert, verachtete mich selbst für das, was ich getan hatte. Ich kündigte und traf somit die erste wirklich große Entscheidung in meinem Leben: Ich kehrte einer vielversprechenden Karriere den Rücken.

Plötzlich stand ich wieder in meinem grauen Kittel an einer Bank und reparierte Büromaschinen.

Eines Tages rief ein Azubi zu mir herüber: “Hey, Katzer, wirf mal ‘nen Schraubenzieher rüber!” Ich drehte mich um: “Das Mindeste, was du tun kannst, ist bitte sagen!” Als hochqualifizierter Unteroffizier bei den Spezialkräften hatte ich 30 oder 40 Mann befehligt. Jetzt sagte mir dieser junge Emporkömmling, ich solle ihm einen Schraubenzieher zuwerfen. Null Respekt. Ein Wermutstropfen blieb: Mir schwante, dass ich vielleicht für den Rest meines Lebens hier festsitzen würde.

Etwa zur gleichen Zeit, und gegen den Rat meiner Freunde, begann ich, American Football für die Nürnberg Rams zu spielen (die Nürnberg Rams spielten zu jener Zeit in der ersten Bundeliga). Meine militärische Ausbildung ließ mich glauben, ich sei unverwundbar—keine Angst, kein Schmerz. Neun Monate später war ich ein Wrack. Mein Knie war so stark verdreht (es macht mir auch heute noch Probleme), dass meine Football-Karriere abrupt endete. Ich war frustriert und wusste nicht weiter.

Da schlug mir ein Freund, der mehrere Reisebüros besaß, vor, mit ihm in Asien zu reisen, um eine andere Welt zu sehen. Ich sagte, was will ich in Asien? Ich will Surfen, Tauchen, Paragliden, Fallschirmspringen und am besten einen tollen Jeep mit dicken Reifen fahren—all die Dinge, die junge, vor Testosteron strotzende Männer lieben. Ich ergriff die Gelegenheit und 1982 flogen wir los.

Als wir in Thailand landeten, öffnete sich die Kabinentür und tropische Hitze strömte herein. So etwas hatte ich noch nie zuvor gespürt. Alle Menschen lächelten…alles war faszinierend.

Ich erkundete den Norden Thailands, der als Goldenes Dreieck bekannt ist, wo Opium angebaut wird; kletterte auf aktive Vulkane und fuhr mit dem Motorrad in den Dschungel. Verrückt. Aber an diesem Punkt merkte ich, dass sich meine technische und militärische Ausbildung auszuzahlen begann.

Und dann hast du deinen Reisen einen Sinn gegeben…

Ich erwähnte bereits, dass mein Vater Pazifist war. Wenn wir im Fernsehen Western sahen, war er immer auf der Seite der Indianer. Damals stellten amerikanische Filmemacher die Eingeborenen immer als die Bösen dar, und mein Vater erklärte mir, wer die wahren Schuldigen, die Verantwortlichen für das Leid, waren. Das blieb bei mir hängen.

1987 reiste ich mit einem anderen Freund auf die Galapagos-Inseln. Wir kamen während eines heftigen Sturms an, das Boot, auf dem wir waren, wäre fast gesunken. In der einen Sekunde sah man das Meer, in der nächsten den wütenden Himmel darüber. Alle Luken sprangen auf und wie zufällig (ich glaube nicht an Zufälle) landete eine Zeitung vor meinen Füßen. Die Schlagzeile: Vier Ingenieure von Auca-Indianern getötet.

Denis Tanja Katzer
Lava and volcanoes on the Galapagos Island of Santiago

Einerseits hatte mein Vater erklärt, wer wirklich Leid über andere bringt, und andererseits behauptete hier eine Zeitung, ein wilder Stamm sei für den Tod der Ingenieure verantwortlich. Ich fragte unseren Übersetzer, ob es wirklich Indianer im Dschungel gäbe. “Natürlich”, meinte er. Das war’s, ich musste hin und sie finden. Er stellte den Kontakt zu einem Freund her, der halb Auca, halb Ecuadorianer war und beide Sprachen sprach.

Wir verließen die Inseln, bahnten uns einen Weg in die Tiefen des Dschungels und hielten uns zunächst bei einer skrupellosen Bande von Kokainschmugglern auf. Dies war meine erste, wenn auch improvisierte, Expedition. Ich bekam tatsächlich den Baum zu sehen, an dem die Ingenieure zu Tode gekommen waren. Eine wirklich gefährliche Situation: Wir waren im Gebiet der Auca und niemand wusste, wer ihr nächstes Opfer sein würde.

Denis Tanja Katzer
Denis Tanja Katzer

Vor Ort konnte ich die riesigen Öltanks entlang des Flussufers nicht übersehen, die von einem Großunternehmen gebaut worden waren. Die Tanks leckten in den Fluss, der den Inhalt dann flussabwärts zu den Indiodörfern trug. Die Eingeborenen hatten keine Ahnung, was da vor sich ging. Der Fluss war immer ihre Trinkwasserquelle gewesen. Jetzt war er vergiftet und sie starben. Man muss es ganz klar sagen: Sie wurden ermordet und niemanden kümmerte es. Ich war schockiert.

Mit der Zeit akzeptierte mich der Stamm und erlaubte mir, an ihren täglichen Ritualen teilzunehmen, ich lief sogar nackt herum. Anscheinend hatte ich wirklich die Gabe, mit fast jedem und überall zu kommunizieren.

Einmal begleitete ich ein Stammesmitglied in die Siedlung der Goldgräber und Schmuggler. Sie waren der Inbegriff zwielichtiger Gangster und Krimineller; und weil er nur ein Indio war, behandelten sie ihn besonders respektlos. In ihren Augen war er den Dreck nicht wert, auf dem er stand.

Dies war sein erster Kontakt mit sogenannten zivilisierten Menschen; er wollte ihnen einen Affen verkaufen. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah, und begann, die Nöte der Auca professionell zu dokumentieren.

Zu jener Zeit arbeitete ich noch für Olympia und war ziemlich gut in dem, was ich tat. Ich reparierte nicht nur, sondern verkaufte auch. Tatsächlich überstieg die Provision, die ich am Ende eines Monats verdiente, mein Gehalt als Techniker, und der Werkstattleiter wurde aufmerksam. Schließlich bot er mir Sonderkonditionen an, sechs Wochen Urlaub am Ende eines jeden Jahres und sechs Wochen am Anfang des nächsten Jahres. Ich hatte nun die Freiheit, zu reisen und trotzdem meinen bezahlten Job zu behalten.

Denis Tanja Katzer

Später, als Verkaufsleiter war ich in der Lage, meine kostspieligen Expeditionen selbst zu finanzieren. Aber danach wieder in den Arbeitsalltag zu finden, war nicht einfach, sodass ich mit dem Gedanken spielte, zu kündigen. Wie aufs Stickwort bot mir der Verkaufsdirektor eine Stelle als seine rechte Hand an, mit einem deutlich besseren Gehalt, einem Mercedes und allen Vergünstigungen. Er gab mir 24 Stunden Bedenkzeit.

Tanja und ich überlegten gerade, unsere Jobs aufzugeben und eine dreijährige Auszeit zu nehmen. Während wir noch über dieses tolle Jobangebot diskutierten, wanderte mein Blick hinüber zu Rucksack und Isomatte, die in der Ecke des Raumes lagen. Obwohl mir viel Freiheit gewährt worden war, reichte die Zeit einfach nicht aus, um richtig in ein anderes Land und eine fremde Kultur einzutauchen. Das Angebot war jedoch so gut, dass es mich eventuell zum Millionär machen könnte. Ich schlug Tanja vor, noch zwei Jahre dranzubleiben. Ich könnte die halbe Million, die ich verdienen würde, zur Bank bringen, kündigen und dann die 10% Zinsen zum Reisen nutzen.

Tanja gab mir den besten Rat, den ich je erhalten habe: Sie sagte, wenn ich noch zwei Jahre bliebe, liefe ich Gefahr, so süchtig nach Geld und Macht zu werden, dass ich mich nicht mehr losreißen könnte und schließlich meinen Traum aus den Augen verlieren würde.

Am nächsten Tag, als mein Chef anrief, fragte ich, ob er sitze, bedankte mich für das wunderbare Angebot—und teilte ihm dann mit, dass ich kündigte.

Das war der Wendepunkt in deinem Leben. Wie ging es weiter?

1991 unternahmen Tanja und ich unsere erste Reise nach Italien, Ägypten und in die Türkei—danach musste Tanja zurück nach Deutschland, um ihre Ausbildung zu beenden. Also verabredeten wir uns für das folgende Jahr in Indien.

Währenddessen reiste ich weiter durch Ostanatolien, den Iran und weiter nach Pakistan, wo ich mit einem Schweden (den ich unterwegs kennengelernt hatte) auf Zugdächern fuhr. Von dort oben hatte ich einen ungehinderten Blick, während wir durchs Land reisten. Zu meiner Überraschung sah ich jedes Mal, wenn die Bahngleise eine Straße kreuzten, keine Autos an der Schranke stehen, sondern Kamele. Auf dem Kamel saß immer ein bunt gekleideter Macho, der pures Testosteron ausstrahlte. Das gefiel mir—und die nächste Expedition war geboren.

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Niemand hatte je versucht, Pakistan mit Kamelen zu durchqueren. Aber wer weiß schon, was möglich ist, wenn er es nicht versucht hat?

In Indien stieß Tanja wie geplant zu mir, und wir erkundeten das Land auf dem Motorrad, bevor wir nach Deutschland zurückkehrten, um die Kamelexpedition durch Pakistan zu planen. Eins führte zum anderen, drei Jahre waren vergangen, aber wir hatten immer noch nicht die Welt gesehen. (Um ehrlich zu sein, kann man in drei Jahren auch nicht die ganze Welt sehen.) Also planten wir nun eine fünfjährige Expedition. Ehe wir uns versahen, waren auch fünf Jahre vorbei.

Denis Tanja Katzer

Wir waren zurück in Deutschland und produzierten eine Fernsehserie mit dem Titel 10 Jahre Expedition—und benannten unsere eigene Expedition entsprechend um. Die Serie war ein Hit, obwohl ich, und da bin ich ehrlich, keine Ahnung hatte. Als ich das erste Mal im Schneideraum war, saß ich neben dem Cutter vor einem riesigen Pult, umgeben von Unmengen von Bildschirmen. Ich beobachtete die leeren Bildschirme und wartete darauf, dass der Cutter etwas tat—und er saß da und wartete auf meine Anweisungen. Schließlich brach er die Stille und fragte, was er tun sollte. Ich sagte: “Du bist doch der Profi…”—“Nein, ich bin nur der Cutter.”

Ich hatte Glück, die Produzentin bot mir etwas Platz in ihrem Büro und sagte, stell die Show so zusammen, dass sie veröffentlicht werden kann. Ich war so gut vorbereitet, wie ein Amateur nur sein kann; der Cutter und ich gingen buchstäblich alle Bilder einzeln durch und reihten sie aneinander. Das war die erste Live-Show dieser Art—Tanja und ich standen vor dem Publikum und kommentierten unseren Film.

Du hast mir einmal erzählt, dass Tanja dein Leben gerettet hat. Was war da los?

Tanja hat mir nicht nur einmal das Leben gerettet.

Wenn du mit einem Partner unterwegs bist und einer von euch in eine lebensbedrohliche Situation gerät, hat der andere nur Bruchteile von Sekunden Zeit zu reagieren. Es bleibt keine Zeit zum Nachdenken. Du musst sofort die Initiative ergreifen und möglicherweise dein eigenes Leben aufs Spiel setzen. Es gibt nicht viele Menschen, die bereit sind, einen anderen zu retten. Tanja ist eine der wenigen und der einzige Grund, warum ich noch am Leben bin.

Ein Beispiel: Wir kauften auf dem Markt in Pakistan Kamele. Wir waren absolute Greenhorns und hatten nicht die geringste Ahnung; und die meisten Leute wissen nicht, dass Kamele zu den gefährlichsten Tieren der Welt zählen. Sicher, sie sehen niedlich aus, trotz ihrer Tendenz zu sabbern. In Wirklichkeit sind sie hinterhältige Biester, die dich töten können, wenn sie nicht richtig erzogen wurden. In der arabischen Welt werden die meisten von ihnen gebrochen. Das heißt, sie werden nicht mit Liebe und Zuneigung trainiert, sondern gequält, bis sie Kommandos befolgen. Diese Form der Erziehung hat Vor- und Nachteile: Pro, das Tier wird zu einem nützlichen Transportmittel. Kontra, die Kreatur lernt, Menschen zu hassen. Nicht nur das, sie haben auch ein langes Gedächtnis und können bis zu zehn oder fünfzehn Jahre warten, bevor sie jemanden angreifen, der sie verletzt hat.

Wie auch immer, wir kauften zwei Kamele. Mein Kamel hieß Heera; aber ich wusste nicht, dass Heera bereits Menschen getötet hatte. Der Händler hatte mir wissentlich einen Killer verkauft…der Bastard! Egal wo auf diesem Planeten, Tierhändler hauen dich immer übers Ohr, es sei denn, du weißt, wovon du sprichst.

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Zuvor hatten wir Ratschläge von Ärzten und Tierärzten erhalten, die uns vor gefährlichen Kamelen warnten. Die Ärzte in Pakistan haben immer anschauliche Bilder zur Hand, die einen halben Schädel oder ein amputiertes Bein zeigen. Beides die Folge von Kamelbissen. Ein Kamel beißt dich in den Kopf und reißt ihn ab oder skalpiert dich—und damit meine ich nicht nur die Haut; sie knacken deinen Schädel wie eine Kokosnuss. Tödlich. Wir waren also gewarnt. Du kannst dir wahrscheinlich denken, worauf es hinauslief.

Wir waren im Indus-Tal (dem Vater aller Flüsse) und folgten seinem Lauf. Wir hielten an und ließen die Kamele knien. Tanjas Kamel war ein junger Hengst in einem Alter, das man am ehesten mit einer scharfen Handgranate vergleichen kann. In diesem Alter muss man ihnen ständig zeigen, wer der Boss ist. Kommandos müssen stark rüberkommen. Als Tanja versuchte, ihr Kamel knien zu lassen, war ihre Stimme nicht bestimmt genug, das Kamel blieb unbeeindruckt; also ging ich hinüber und gab das Kommando. Tanja trat beiseite, aber was ich nicht bemerkte (und das ist ein typischer Anfängerfehler), ich hatte die Zügel nicht direkt unter dem Kinn gegriffen, sondern ließ gut 20 cm Spielraum. Genug, dass er seinen Kopf zurückwerfen konnte, bevor er seine Zähne in meinem Arm versenkte. Er hatte meine ganze Hand im Maul, was mit Sicherheit zu einer Amputation geführt hätte.

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Ich schrie auf und packte die Oberlippe des Kamels. Gerade als er seinen Kopf nach oben reißen wollte (was das Ende meiner Hand bedeutet hätte), stürzte Tanja herbei und klammerte sich mit aller Kraft an seine Unterlippe. Nicht mehr in der Lage, seinen Kopf zu heben, hielt das Kamel fest und begann zu laufen. Ich schrie vor Schmerz—bis dieser plötzlich nachließ und ich überzeugt war, meine Hand verloren zu haben. Bei all der Bewegung öffnete das Kamel kurz sein Maul, um wieder zuzubeißen—gerade lange genug, dass ich meinen Arm herausziehen konnte. Ich brach auf den Boden zusammen.

Ein Schock ist die schlimmste Folge, die auf diese Art von Trauma folgen kann. Oft sterben die Menschen eher an den Folgen des Schocks als an der Verletzung selbst. Aber Tanja und ich hatten für solche Momente trainiert und sie übernahm die Kontrolle. Glücklicherweise war meine Hand noch da und Tanja hatte große Mühe, mir zu erklären, dass es so sei, obwohl ich sie nicht spüren konnte. Sie zog meinen Handschuh aus: Da klaffte ein Loch, wo ein langer Schneidezahn eingedrungen war und einen Nervenkanal beschädigt hatte. Nur meine unverwüstliche Uhr hatte ihn daran gehindert, komplett durchzubeißen.

Hätte Tanja nicht so schnell reagiert, hätte mich das Kamel hochgeschleudert, mir die Hand oder den Unterarm abgerissen und ich den Angriff mit Sicherheit nicht überlebt. Tanja ist schon mehrfach für mich da gewesen, es gibt niemanden auf der Welt, dem ich mehr vertraue.

Nachdem eurem Kameltrek quer durch Australien 2003, wart ihr auch auf Fahrrädern, Pferden in der Mongolei und einem Elefanten in Indien unterwegs. Woher kommen die Ideen und wie verwirklichst du sie?

Meistens kommen mir neue Ideen und Ziele, wenn wir auf Reisen sind. Es ist ein Bauchgefühl.

Wir waren seit ca. zwei Jahren in Australien unterwegs, als ein lokaler Fernsehsender zu uns auf eine Farm in der Wüste flog. Wir drehten ein Interview und bei der Abreise erwähnte eines der Crewmitglieder, dass der Film an einem bestimmten Datum ausgestrahlt werden sollte. Wenn wir ihn sehen wollten, mussten wir also bis zu diesem Datum eine andere Farm erreichen—was wir auch taten.

Außer unserem Beitrag gab es einen weiteren Kurzfilm über ein australisches Paar, das mit dem Fahrrad von Europa nach China fuhr. Meine Reaktion: “Wow!” Ich weiß nicht, warum, denn schließlich umrunden viele Menschen die Welt auf Fahrrädern, aber ich war erregt. Ein bisschen so, als würde man zum ersten Mal einen 8.000er besteigen.

Ein paar Tage später sprach ich Tanja vorsichtig darauf an, als wir durch die Wüste liefen und das Thermometer 50°C im Schatten anzeigte: “Wenn wir Australien hinter uns haben, was hältst du davon, ein paar Fahrräder zu organisieren und nach Asien zu fahren?” Sie schaute mich fassungslos an. “Hast du den Verstand verloren? Hier wandern wir mit sieben Kamelen durch die Wüste, kämpfen ums Überleben unter einer unerbittlichen Sonne, kein Schatten in Sicht, und alles, woran du denken kannst, ist, mit dem Fahrrad durch Sibirien zu fahren! Bei -30 oder -40°C? No way!”

Nun, es war ein Anfang. Nach dieser wenig enthusiastischen Antwort hatte ich noch zwei Jahre Zeit, in unerträglicher Hitze über den Sand zu laufen, um ihr diese Idee behutsam näher zu bringen.

Zurück in Deutschland, und mit Tanjas Einverständnis, überlegte ich einige Expeditionskonzepte für einen Fahrradhersteller. So kam es, dass ich mit Riese & Müller zusammensaß und vorschlug, so ökologisch wie möglich von einer Expedition zur nächsten zu reisen. Meine Idee war, von Deutschland aus in die Mongolei zu radeln, dort eine neue Expedition zu beginnen und nach deren Abschluss zur nächsten. Anstatt von einem Ziel zum anderen zu fliegen, würden wir in die Pedale treten.

Die Idee wurde angenommen, Hände geschüttelt und die Saat für eine langjährige Beziehung gelegt. Wir waren Radfahrer.

Die Fahrt in die Mongolei sicherte uns einen festen Platz in der Radsportgemeinschaft, und die Erfahrungen, die wir unterwegs sammelten, waren unübertroffen. Die Leute schrieben mir mit Fragen zu unseren Rädern und unserer Ausrüstung. Wenn man einmal ein gebrochenes Bauteil auf einem Pass in 3.000 m Höhe repariert hat und die Hände taub werden, weil die Temperatur auf -15 oder -20°C gefallen ist, nehmen die Leute dich ernst und hören auf deinen Rat.

Zu jener Zeit gab es viele Veränderungen auf der politischen Landkarte und wir gehörten zu den ersten Westeuropäern, die in die Mongolei kamen. Mit Hilfe unseres Netzwerks und einer gehörigen Portion Glück bekamen wir ein Jahresvisum—bis dahin unerhört. denis tanja katzer

Denis Tanja Katzer

Wir kauften Pferde, bauten Karren und ritten durch eine der beeindruckendsten Landschaften der Welt. Die typische Transportform der Nomaden damals war ein Yak und ein Karren mit Holzrädern. Ja, wirklich: Holzräder! Das hat sich jetzt natürlich alles geändert.

Wir hörten von einem Stamm in der Nähe der sibirischen Grenze, der Rentiere züchtete und mit ihnen lebte. Wie nicht anders zu erwarten, musste ich sie aufsuchen.

Die Elefantengeschichte begann in meinem Kopf und entwickelte sich zu einer dreiteiligen Fernsehserie.

Als Kind träumte ich davon, einen Elefanten als Freund zu haben. So wie andere Kinder Astronaut werden wollen, sehnte ich mich nach einem Elefanten. Als wir unsere Expedition nach Indien planten, wandte ich mich an die örtlichen Behörden, die mir bei der Suche nach meinem neuen Freund halfen.

Das veränderte den Charakter der Expedition völlig. In Indien ist Ganesh der elefantenköpfige Gott des Glücks. Jedes Dorf, in das wir kamen, sah uns also als Reiter auf einem Gott. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für uns bedeutete. Wenn wir das Dorf betraten, kamen alle Kinder aus den Schulen gerannt und die Dorfbewohner säumten die Straßen. Das ist toll, wenn man sich unter die Einheimischen mischen und ihr Leben auf Augenhöhe miterleben möchte, aber was den Elefanten betrifft, waren die Hunderte von Menschen, die ihn anfassen wollten, purer Stress.

Denis Tanja Katzer

Wie unser Killer-Kamel hatte unser Elefant ein Vorstrafenregister: drei Tote. Auch er war durch schmerzhaftes Training zum Psychopathen geworden. Wir hatten also (wieder einmal) ein wirklich gefährliches Tier, was letztlich das vorzeitige Ende der Expedition bedeutete—denn er versuchte mehrmals, mich und unseren Dolmetscher zu töten. Das größte Problem war seine Intelligenz—sie sind gerissene Kreaturen und planen ihre Angriffe sehr raffiniert. Die Situation wurde für uns zu gefährlich, um weiterzumachen, denn wir konnten nie vorhersehen, wann er als nächstes zuschlagen würde. Jedes Mal, wenn wir auch nur für einen kurzen Moment unachtsam waren, versuchte er es wieder.

Ihr habt vor Kurzem ein bimobil EX412 Expeditionsmobil gekauft. Das ist eine signifikante Veränderung im Vergleich zu euren bisherigen Transportmitteln. Was habt ihr damit vor?

Dieses Kapitel beginnt mit einer E-Bike-Testexpedition durch Asien, die eigentlich ein Versuch war, einen anderen Elefanten zu finden, um die zuvor unterbrochene Reise fortzusetzen. Wir waren bereits durch einen Teil Sibiriens, die Mongolei, die Wüste Gobi, einen großen Teil Chinas, Vietnam und Kambodscha geradelt, bevor wir die Reise in Thailand beendeten. In Vietnam lebten wir ein Jahr, während wir nach einem Ersatz für unseren Elefanten suchten. Wir wohnten in einer kleinen Lodge in der Nähe eines Elefantenparks. Die Idee war, ein geeignetes Tier so lange zu leihen oder zu mieten, wie es für die Durchquerung Asiens notwendig war. Ich freundete mich mit dem Hotelbesitzer an, was später noch eine wichtige Rolle spielen sollte.

Unglücklicherweise stürzte ich nachts mit dem Fahrrad auf einer Bambusbrücke und fiel über das Geländer mehrere Meter auf die darunter liegenden Felsen. Zum Glück trug ich meinen Helm, so dass sich meine Verletzungen auf meinen Hals und einen aus der Schulter ragenden Knochen beschränkten. Die Vietnam-Tour musste vorerst zu einem abrupten Ende.

Ich rief meinen Physiotherapeuten, Hans-Peter Maier, an, der bestätigte, dass dies eine typische Eishockey- oder Radfahrverletzung sei und ich in ein paar Monaten wieder im Sattel sitzen würde. So blieben wir drei Monate inmitten der Reisterrassen, erlebten Saat und Ernte und wurden Teil der Gemeinschaft. Wir wurden nicht mehr als Gäste angesehen.

Wie auch immer, unmittelbar nach meinem Unfall landete ich in einem kleinen Dorfkrankenhaus unweit der Lodge. Dort besuchten mich drei Herren, die zu diesem Zeitpunkt in der Lodge weilten, um sie zu kaufen: Vietnams Finanzminister, ein berühmter Architekt und ein hochrangiger Polizeioffizier, der auch für den vietnamesischen Polizeifernsehsender verantwortlich war. Mit einem Mal gehörten zu meinem Netzwerk einige der wichtigsten Leute der vietnamesischen Regierung. Zufall? Vielleicht, aber ich glaube nicht an Zufälle.

Wir sprachen oft miteinander, und gemeinsam produzierten sie einen Film über Tanja, mich und unser Mutter Erde-Projekt, der im nationalen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Im Laufe unserer Gespräche erläuterte ich unser Elefantenvorhaben und sie stellten mich dem Fremdenverkehrsamt vor, das die Idee dem Präsidenten unterbreiten wollte, ich solle den Vorschlag schriftlich vorlegen.

Bei der Recherche für meine Präsentation entdeckte ich, dass sich das internationale Zentrum des illegalen Elfenbeinhandels in Hanoi befand. Dies könnte sich zu einer potenziellen Gefahr für Tanja und mich entwickeln, wenn wir mit einem Elefanten durch die Gegend reisen und versehentlich Geschichten mit sensiblem Inhalt auf unserer Website veröffentlichen würden. Jede mögliche Bedrohung könnte die Elfenbeinmafia mit Vergeltungsmaßnahmen ahnden. Wir hätten null Überlebenschancen, so der Polizist.

Tanja brachte einen anderen, noch stichhaltigeren Punkt vor. In der ganzen Region waren Schutzparks errichtet worden, um Elefanten vor Grausamkeit und Missbrauch zu schützen. Dazu gehört auch, sie nicht als Touristenattraktion und zum Reiten zu degradieren. Tanja wies zu Recht darauf hin, dass wir auf einem Elefanten, trotz guter Absichten, das falsche Signal aussenden und alles untergraben würden, was die Naturschützer erreichen wollten.

Die geplante Expedition nach Kambodscha, Thailand, Myanmar und Laos steht noch nicht ganz; aber anstelle einer Reise mit einem Elefanten haben wir uns entschieden, unsere E-Bikes für die Erkundung in jedem Land zu nutzen und in Schutzgebieten zu leben, um mit den Teams vor Ort zu arbeiten und Zeit mit den Tieren zu verbringen.

Auf der Rundreise nach Asien und zurück werden wir ca. 60.000 km zurücklegen, mit Etappen auf und abseits des Asphalts. In Anbetracht der ganzen Ausrüstung, einschließlich E-Bikes, Anhängern, Zusatzbatterien und allem anderen, was Langzeitreisende benötigen, begannen wir mit der Suche nach einem geeigneten Expeditionsfahrzeug zum Transport und als Zuhause für die drei Jahre, die die Expedition voraussichtlich dauern wird. Nach reifer Überlegung haben wir uns für das bimobil EX412 entschieden, das inzwischen leicht modifiziert wurde, um unseren Bedürfnissen gerecht zu werden.

Kannst du erläutern, was sich hinter eurem Slogan “Mutter Erde lebt” verbirgt?

Mutter Erde lebt ist mehr als nur ein Slogan. Er definiert, wer wir als Paar sind und was wir erreichen wollen. Heute wollen sich so viele Unternehmen grün waschen, weil das die Botschaft ist, die sie der Öffentlichkeit präsentieren wollen. Aber ist das ein Marketing-Trick oder meinen sie es wirklich ernst?

Vor dem grünen Hype, als wir unser Projekt Mutter Erde lebt ins Leben riefen, waren die Leute skeptisch gegenüber dem esoterischen Touch. Alles, was ich vorher gemacht hatte, und alle Bücher und Filme, die Tanja und ich produziert haben, wurden als Abenteuer interpretiert. Versteh mich nicht falsch, wir lieben das Abenteuer, die Spannung und den Adrenalinrausch, aber das ist nicht unsere eigentliche Motivation, die geht viel tiefer.

Denis Tanja Katzer

Seit 1987, als ich zum ersten Mal die Auca—oder Huaorani wie sie sich selbst nennen—in Ecuador besuchte, habe ich einen beträchtlichen Teil meines Lebens, und auch Tanjas, in das Studium indigener Gruppen investiert. Und weißt du was? Sie haben die gleichen negativen Eigenschaften wie jemand, der in Wien oder New York lebt. Sie sind halt auch nur Menschen. Sie sind habgierig, eifersüchtig, jähzornig und so vieles mehr. Ihr Mangel an Empathie treibt alles auf die Spitze—ich habe gesehen, wie sie Tiere auf eine Art und Weise quälen, die man sich nicht einmal vorstellen kann. Und damit haben sie, zumindest in meinen Augen, ihren Status als sogenannte edle Wilde verloren. Aber das gibt uns nicht das Recht, sie auszurotten. Sie erinnern uns an unsere eigenen Wurzeln.

Ursprünglich wollte ich helfen, das Leid der Urvölker zu verhindern, als Vermittler sozusagen, und sie dadurch schützen. Die Idee war, all die verschiedenen Stämme weltweit zu besuchen. Doch nach einer Weile wurde mir klar, dass sie nicht die einzigen sind, die geschützt werden müssen—wir alle, der ganze Planet ist schutzbedürftig. Ich lenkte unseren Fokus auf eine Expedition um die Welt und begann, die Geschichte von Mutter Erde zu erzählen. Unsere Reise beschränkte sich nicht mehr auf den Dschungel, sondern erstreckt sich auf alle Regionen und alle Länder.

Jimmy Nelson, ein beeindruckender britischer Fotograf und Autor des Buches Before They Pass Away. Bevor sie aussterben, sieht es ebenfalls als seine Aufgabe an, Kulturen zu bewahren. Er konzentriert sich, wie anfangs auch ich, auf indigene Gruppen, während Tanja und ich unseren Blickwinkel inzwischen erweitert haben und, ohne abwertend klingen zu wollen, unsere Geschichte mit mehr als nur Bildern erzählen wollen.

Bilder fangen einen Moment ein und rufen Emotionen hervor. Unsere fortlaufende Dokumentation nutzt Fotos, um die Geschichten zu visualisieren, die sie begleiten. Man sagt, Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Mit anderen Worten: Das Publikum betrachtet unsere Bilder und interpretiert sie nach seiner eigenen persönlichen Wahrnehmung. Unsere Geschichten hingegen kreieren Stimmung und Schauplatz und erklären gleichzeitig die damit verbundenen Konsequenzen, was die Relevanz jedes Bildes erhöht.

Denis Tanja Katzer

Ich habe noch eine letzte Frage, bevor wir diesen ersten Teil des Interviews abschließen. Euer Trek durch die entlegensten Landschaften Australiens hat vier Jahre gedauert. War es schwierig, nach deiner Rückkehr wieder in den Alltag zurückzufinden?

Sechs Wochen nach meiner Ankunft in Deutschland erlitt ich einen Hörsturz. Nach vier Jahren in der Wüste, allein mit Tanja und den Kamelen, war der Stress einer modernen Gesellschaft einfach zu viel.

Stell dir vor, du stehst am Rande des Bahnsteigs, wenn ein Schnellzug durch den Bahnhof donnert. Und nun stell dir vor, du versuchtest, in diesen Zug einzusteigen. Es würde dich zerreißen. Genau so fühlte ich mich. Die Reise hatte meinen Verstand so stark verlangsamt, dass ich nicht mehr mithalten konnte.

Die Konsequenz, die wir aus dieser Erfahrung zogen, war, nicht länger als zwei Jahre am Stück zu reisen. Allerdings ist unsere nächste Expedition nach Asien für drei Jahre geplant. Ich bin gespannt.

Glücklicherweise hat die Technologie seit unserer ersten Expedition einen langen Weg zurückgelegt. Die Digitalfotografie hat uns die mühsame und zeitraubende Arbeit abgenommen, Tausende von Dias nach unserer Rückkehr zu entwickeln und zu beschriften. Fotos können noch am selben Tag sortiert und beschriftet werden.

Die Kommunikation ist heute so weit fortgeschritten, dass wir auch in Abwesenheit nicht unerreichbar sind. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Briefe Monate im Voraus an einen bestimmten Ort geschickt werden mussten. Ganz zu schweigen von den handschriftlichen Antworten und Updates, die wir nach Hause schicken mussten. Selbst unsere Bücher werden jetzt unterwegs geschrieben und produziert.

Die einzige Herausforderung, die bleibt, ist die psychologische Anpassung nach unserer Rückkehr. Wir werden sehen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Winterausgabe 2020/21 des Overland Journal.

Denis Tanja Katzer
Pinnacle Rock on the island of Bartolomé
Picture of Mike Brailey

Mike Brailey

Born in the UK, Mike went to school in England and France before hiking across most of Europe in his early twenties. With a background as a photographer and engineer in the automotive industry, he has worked in Europe, the Middle East, South Africa, Southeast Asia and the Americas. His heart beats for classic cars and motorcycles, favouring an expedition equipped 1963 Land Rover Series IIA for overlanding. He is an outdoor enthusiast and, in 2016, followed his vocation to become an adventure journalist.

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