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Land Roving 1997 – Amadeus Matzker über Abenteuerlust und die Erkundung Nordafrikas

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Es wird wieder einmal November. Aber nicht nur das Wetter, sondern auch die Tatsache, dass es schon wieder zehn Monate her ist, dass wir zuletzt in Afrika unterwegs waren, zwingt meine Freunde und mich, endlich an die nächste Tour zu denken.

Draußen regnet es, als wir bei einem gemütlichen Kölsch in einer Kölner Kneipe sitzen und unsere Gedanken nach Afrika schicken. Unsere Truppe besteht aus meinem alten Schulkameraden Ralf, der inzwischen hauptsächlich in Bamako, Mali, lebt, unserem erfahrenen Reisepartner Hans-Christian (genannt HC), unserem belgischen Afrika-Experten und Reiseorganisator Jan und mir, Amadeus Matzker—Land Rover-Spezialist und Motorsportler aus Köln.

Wir möchten eine besondere Tour planen. Vorrangig dabei ist für uns, das freie Fahren im Gelände! Wir wollen uns möglichst lange abseits der Pisten, durch die landschaftlich schönsten Gebiete der Sahara (Sahel-Zone) bewegen. Dass es dabei durch politisch unsichere Gebiete geht, stört uns nicht weiter, denn Touareg-Überfälle haben wir in vergangener Zeit bereits so einige überstanden.

Die Reise soll durch Marokko, Mauretanien, Mali, Algerien, Niger, zurück nach Algerien und zur Fähre nach Tunesien führen. Ein Highlight bildet die Etappe von Chinguetti nach Timbuktu, rund 2.000 km freie Navigation ohne jegliche Versorgungsmöglichkeit. Deshalb, und auch wegen der politischen Situation, müssen unsere Fahrzeuge eine Autonomie von 3.000 km bei höchster Geländegängigkeit haben.

Vier Personen, vier Konzepte, vier Fahrzeuge: Ralf wählt den Defender 110 V8 EFI Hard Top, Leistung 185 PS, enorme Lademöglichkeit. HC fährt einen sportlichen Range Rover 3.9 V8 EFI mit 205 PS. Jan schwört auf die einfachste Technik, Range Rover 3.5 V8 Vergaser mit drehmomentorientierter Motorabstimmung. Ich fahre das einzige dieselbetriebene Fahrzeug im Feld, meinen Defender 90 TDI mit 145 PS.

Die Benziner benötigen für die angestrebte Reichweite 1.000 L Kraftstoffvorrat, der Diesel-Defender muss immerhin die Hälfte davon in seinem kleinen Gehäuse unterbringen. Alle Fahrzeuge verfügen über abgestimmte Fahrwerke mit bis zu drei Gasdruckdämpfern pro Rad.

Die erste Etappe führt uns von Nouadhibou nach Atar, allerdings nicht über die Piste, sondern durch den Erg Akchar. Hier wurde eine Etappe der Paris–Dakar annulliert, da die strukturlos angeordneten und besonders weichen Dünen kaum zu durchdringen sind. Die Fahrzeuge werden bereits hier stark gefordert, müssen sich mit vollen Kraftstofftanks durch den Weichsand wühlen. Es ist nicht möglich, der GPS-Navigation zu folgen, die Landschaft lässt keinen geraden Kurs zu. Für 1 km Luftlinie müssen 3 km Fahrstrecke zurückgelegt werden. Ein optimaler Test vor der jetzt beginnenden schwierigen Etappe Chinguetti–Timbuktu, die uns 2.000 km weit ohne Piste durch menschenleeres Gebiet führen wird.

Hier gibt es keinerlei Spuren. Die Landschaft scheint gänzlich unberührt. Und wider Erwarten beginnt unser Streckenabschnitt mit großen, flächigen und extrem weichen Dünen, die teilweise mit Kamelgras bewachsen sind. Die Karten hatten auf eine gängigere Landschaft hingedeutet.

Am ersten Abend beginnt bereits das große Grübeln: Trotz intensiven Fahrens haben wir, bei erhöhtem Kraftstoffverbrauch, nur 200 km zurückgelegt. Am Abend des zweiten Tages, nach insgesamt erst 400 km, machen wir uns bereits Sorgen, ob unsere Vorräte bis Timbuktu reichen werden. Die schlechte Qualität des in Chinguetti getankten Kraftstoffs läßt den Verbrauch in schwindelerregende Höhen von 40 l/100 km steigen.

Dann vom Regen in die Traufe: Nach 450 km ändert sich die Landschaft in unabsehbare Steinflächen, die uns wegen der buckligen Oberfläche zwingen, stundenlang im ersten Gang zu fahren. Neben dem Kraftstoff wird nun auch unsere Zeit knapp, denn das Algerien-Visum droht zu verfallen. Das Gefühl, sich bereits tagelang im Grenzbereich des Fahrbaren vorwärts gekämpft zu haben, und dennoch erst die Hälfte der Strecke geschafft zu haben, ist kaum zu beschreiben. Annähernd 1.000 km Leere trennen uns sowohl vom Start als auch vom Ziel.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Die Steinflächen werden von sandigen Ebenen abgelöst, die mit Kamelgrasbüscheln übersät sind. Um jeden Grasbüschel hat sich ein Sandhügel von ca. 30 bis 40 cm Höhe gebildet. Vor uns liegt eine unfreiwillige Stoßdämpfer-Testanlage von unabsehbarem Ausmaß. Die Achsen müssen permanent den gesamten Federweg zurücklegen und eine Geschwindigkeit von 30 km/h ist kaum zu überschreiten. Die Stoßdämpfer erreichen Temperaturen von mehr als 100°C. Nach zwei Tagen solchen Fahrens wünscht man sich nur noch eines: endlich einmal Gas geben zu können.

Unsere Sorge um den Kraftstoffverbrauch und den Verfall des Visums wird zunehmend ernster. Erst kurz vor Timbuktu treffen wir auf eine heiß ersehnte Piste. Aber auch hier stellt sich ein mulmiges Gefühl ein, denn kurz zuvor ist in dieser Gegend ein uns bekannter Hilfskonvoi überfallen und ausgeraubt worden. Zudem gibt es für die Einreise nach Mali auf diesem Weg keine offizielle Genehmigung. Aber Timbuktu nach 2.000 km freier Wüstennavigation von Norden aus kommend zu erreichen, wie einst Heinrich Barth (deutscher Afrikaforscher), ist schon ein abenteuerliches Gefühl.

La Mystérieuse, wie die Stadt genannt wird, empfängt uns halbwegs freundlich. Leider bleibt uns nur ein Tag, um die Moschee aus dem 12. Jahrhundert mit ihrer historischen Bibliothek und das Heinrich-Barth-Haus zu besichtigen. Auftanken müssen wir auch noch. Bereits in drei Tagen müssen wir die algerische Grenze bei Bordj Badji Mokhtar überschritten haben.

Ein schwieriges Unterfangen, denn bis dorthin sind es gut 1.000 km Fahrstrecke, wobei wir keine Pisten benutzen dürfen. Die Gefahr eines Überfalls ist hier einfach zu hoch. Abseits der Pisten sind wir aber in Sicherheit, wir umfahren das Adrar des Ifoghas-Gebirge auf westlicher Seite bis zur algerischen Grenze in Bordj Badji Mokhtar. Die Zöllner in diesem verschlafenen Örtchen, am südlichen Ende der 660 km langen Tanezrouft-Piste, können kaum glauben, woher wir kommen. Zumal sie schon seit längerem keine Touristen mehr gesehen haben.

Es kostet uns einen Tag Überredungskunst, ihnen unsere Route begreiflich zu machen. Von Bordj Badji Mokhtar führt uns eine 600 km lange Piste nach Tamanrasset, wo wir endlich eine kurze Pause für Mensch und Maschine einlegen. Wir sind hier die einzigen Touristen.

Wieder vollgetankt, geht es weiter in Richtung Ténéré-Wüste im Niger. Wir bewegen uns wieder abseits jeder Piste durch wunderschöne Felslandschaften auf die verbotene Grenzfestung in Azahoua zu. Keinesfalls dürfen wir entdeckt werden. Unser Plan ist, unbemerkt aus Algerien auszureisen, um nach der Kreuzfahrt durch die Ténéré ebenso unbemerkt wieder einzureisen. So sparen wir langwierige Grenzformalitäten. Unser Visum lässt, davon abgesehen, keine weitere Aus- und Einreise zu. Unser Unterfangen ist gar nicht so einfach, denn die Region wird auf der Suche nach Schmugglern genau beobachtet.
Und das bestätigt sich direkt im nächsten Morgengrauen, denn 80 km vor der Grenze hören wir die Motorengeräusche eines Patrouillenflugzeuges. Es nähert sich unserem Biwak in geringer Höhe. Wir bleiben ruhig in unseren Schlafsäcken neben den Fahrzeugen liegen, die wir abends zuvor abgedeckt haben, und werden zum Glück nicht bemerkt. Das war knapp. Exakt auf der Grenze zwingt uns dann auch noch ein abgerissener Stoßdämpferhalter anzuhalten, aber das Glück ist mit uns, wir verlassen Algerien schließlich unbemerkt.

Die unglaublich schöne Landschaft der Ténéré belohnt uns für die Risiken. Entlang des Aïr-Gebirges bewegen wir uns in Richtung Süden. Faszinierend ist der Übergang der goldgelben Sandwüste links, zum pechschwarzen Lavagebirge rechts. Ohne einer Piste zu folgen, kämpfen wir uns durch die höchsten Dünen der Ténéré nach Gréboun.

Den Fahrzeugen wird alles abverlangt. Wir überwinden mehrere hundert Meter Höhenunterschied im Weichsand. Der Reifendruck wird bis auf 0,6 bar reduziert. Die Natur ist unglaublich. Vorbei an den blauen Bergen Chiriet fahren wir durch die wilden Schluchten von Tamgak zum Krater Arakaou, dessen 12 km durchmessende Krone sich aus den Dünen erhebt. Im Inneren des Kraters besteigen wir die hohen Dünen und haben so eine fantastische Aussicht auf die flache Ténéré Wüste. Weiter geht es zum legendären Arbre du Ténéré, wo wir unsere Fahrtrichtung nach Osten ändern, um über die alten Pisten der Salzkarawanen die Oasen Fachi und Dirkou anzusteuern.

In Fachi haben wir den Eindruck, die Zeit sei vor einigen tausend Jahren stehengeblieben. Auf einfachste Art und Weise, ohne technische Hilfsmittel, wird hier Salz gewonnen, in zermürbender Arbeit in der Sonne getrocknet und abtransportiert. Allerdings hat die Kamelkarawane Konkurrenz von den guten alten Rundhauben-Mercedes Lkws bekommen.

Bis nach Dirkou sind es von hier aus noch 300 km durch Weichsandfelder, in denen selbst die V8-Fahrzeuge nicht über den dritten Gang hinauskommen. Hier angekommen, besuchen wir erst einmal Jerome, einen alten Freund, ein Haudegen, über 80 Jahre alt. Es ist schön zu sehen, dass es ihm gut geht. Jerome kämpfte bereits im Zweiten Weltkrieg in El Alamein gegen Rommel und verkauft seit knapp einem halben Jahrhundert geschmuggelten Kraftstoff aus Libyen in Dirkou. Sogar die Rally Paris–Tripoli–Dakar hat er versorgt. Bald ist es Zeit, sich zu verabschieden und weiterzuziehen.

Wir verlassen die Ténéré in Richtung Norden über die legendäre Piste Balise Berliet, um dann wieder unbemerkt durch den Erg Admer zurück nach Algerien zu gelangen. Nicht über die leider mittlerweile entstandene Asphaltstraße, sondern im Oued Imhirou bewegen wir uns durch Weichsand, Felsen und dichte Büsche in Richtung Illizi. Die alte Piste ist total zugewachsen, weicher Schwemmsand lässt die Fahrzeuge bis zur Radnabe einsinken. Aber eine heiße Quelle im Oued entschädigt uns. Mal ehrlich, es gibt bedeutend schlechteres, als die letzte Flasche Whisky der Reise unter dem sternenklaren Saharahimmel im warm sprudelnden Wasser sitzend zu genießen.

Da wir ja möglichst wenig Straße fahren möchten, geht es wiederum über Pisten vorbei an Debdeb weiter in Richtung Tunesien. Am Ende dieser Tour ereilt uns dann doch noch der Übermut. Nach kurzer Kalkulation der verbleibenden Kraftstoffvorräte entscheiden wir uns, auf direktem Weg mitten durch den Grand Erg Oriental in Richtung Chott el Djerid in Tunesien zu fahren.

Wir hätten es besser wissen müssen! Denn Übermut wird oft bestraft. Die Fahrzeuge sind extrem sandgängig und wir wühlen uns immer weiter in die Dünengebirge des Grand Erg hinein. Noch gibt es flachere Zonen zwischen den mächtigen Sandbergen, die wir mit steigender Anstrengung überwinden. Doch diese Bereiche werden immer knapper und schließlich steht eine Riesendüne, die von unendlich vielen kleinen übersät ist, an der anderen.


Wie die Sandflöhe arbeiten wir uns auch hier noch weiter nach vorne, um festzustellen, dass der Kraftstoff zum Umkehren sowieso nicht mehr reicht. Aus den kalkulierten zwei Tagen sind bereits fünf geworden, wir haben nun endgültig nichts Essbares mehr an Bord. Dann geht uns auch noch der Kaffee aus, es gibt jetzt nur noch Wasser und Zucker.


Es kann kaum noch die Rede vom Fahren sein, denn ein wilder Zick-Zack-Kurs mit Steilabfahrten bringt uns am Tag gerade einmal 20 km näher an unser Ziel. Jeder Meter wird vorher zu Fuß abgegangen, um keinen Kraftstoff zu vergeuden. Erstmals, nach mehr als 200.000 Kilometern Afrika-Erfahrung, stellt sich uns hier die Frage, ob wir Mensch und Maschine aus der Wüste herausbringen.

Doch es gelingt.

Mit viel Ruhe und intensivem Kartenstudium navigieren wir auf möglichst kurzem Weg aus diesem Labyrinth heraus und werden sofort im ersten Dorf, Sabrina, wegen illegaler Einreise verhaftet. Als vermeintliche Algerien-Spione werden wir unverzüglich vom tunesischen Geheimdienst ins Innenministerium nach Tunis verfrachtet. Obwohl wir dort einen ganzen Tag lang unsere Route und unsere touristischen Motive zu erklären versuchen, bleiben wir den tunesischen Staatsdienern suspekt und werden auf direktem Wege auf die Fähre nach Genua geleitet, um das Land möglichst schnell zu verlassen.

Der passende Abschluss einer abenteuerlichen Tour.

Amadeus Matzker Seit 1985 bereiste Amadeus Matzker beinahe jedes Jahr die Wüsten Nordafrikas, um abseits der Zivilisation, auf kaum vorgezeichneten Pisten die Wüste in ihrer Unberührtheit zu erleben.

1986, mit gerade einmal 20 Jahren, wurde aus Leidenschaft Berufung und Amadeus Matzker gründete die Firma Matzker als Land Rover-Spezialbetrieb. Als Konstrukteur und Pilot seines eigenen Rallye-Teams fuhr Amadeus Matzker seit 2001 bei mehr als 20 Rallyes mit und stellte damit nicht nur sein Können, sondern vor allem die Leistungsfähigkeit seiner Fahrzeuge unter Beweis.

Amadeus Matzker verstarb am 24.01.2016 bei einem tragischen Autounfall in der Wüste Mauretaniens. Er wurde nur 49 Jahre alt.

Dieser Artikel wurde erstmals in der Frühjahrsausgabe 2019 des Overland Journal Europe veröffentlicht.

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